Zur Haftung der Post für Zustellungsfehler

OLG Hamm, Urteil vom 18. Juni 2014 – 11 U 98/13

Zur Haftung der Post für Zustellungsfehler (hier: fehlerhafte Postzustellungsurkunde)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 22.07.2013 teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin die Schäden zu ersetzen hat, welche durch die unerlaubte Handlung des Postzustellers E (falsch beurkundete Zustellung) und durch das deshalb ergangene Versäumnisurteil des Landgerichts Piräus vom 15.05./11.06.2012, Az.: 2842/2012, entstanden sind und noch entstehen.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von nicht anrechenbaren vorgerichtlichen

Anwaltskosten der Rechtsanwälte T & Partner GbR aus N in Höhe von 459,40 € netto freizustellen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 25 Prozent und die Beklagte 75 Prozent.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrte die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für die Folgen einer angeblich fehlerhaften Durchführung der Zustellung eines gerichtlichen Schriftstückes.

Die Klägerin veranstaltet Reisen und führt in Griechenland eine Auseinandersetzung wegen eines nicht erfüllten Vertrages über den Charter einer Yacht. Der griechische Vertragspartner der Klägerin nahm diese gerichtlich auf Zahlung von ca. 220.000 € zuzüglich Zinsen in Anspruch. Im Rahmen dieses Verfahrens sollte die Klageschrift und eine Terminsladung der Klägerin durch das Amtsgericht Münster im Wege der Rechtshilfe zugestellt werden. Der für die Beklagte als Zusteller tätige Zeuge E kreuzte auf einer auf den 04.03.2011 datierten Postzustellungsurkunde an, diese Postsendung des Amtsgericht Münster in einen zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung geworfen zu haben. Einen Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung gibt es am Geschäftslokal der Klägerin jedoch – was mittlerweile unstreitig ist – nicht. In der Folgezeit erging in dem griechischen Rechtsstreit gegen die Klägerin ein Versäumnisurteil.

Die Klägerin hat die Beklagte erstinstanzlich auf Feststellung in Anspruch genommen, dass die Zustellung nicht rechtswirksam auf dem Postweg erfolgt sei, hilfsweise darauf, dass die Schriftstücke nicht zugegangen seien. Sie hat dabei vorgetragen, diese Feststellung im griechischen Verfahren zu benötigen, um dort die fehlerhafte Zustellung geltend machen zu können. Die Parteien haben dabei im Wesentlichen darüber gestritten, ob die Klage zulässig ist und die Zustellung erfolgte.

Das Landgericht hat die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen. Die von der Klägerin begehrte Feststellung von Tatsachen sei nach § 256 Abs. 1 ZPO nicht möglich. Die in Betracht kommende Feststellung der Unechtheit der Urkunde werde von der Klägerin nicht beantragt. Im Übrigen wäre diese auch nicht begründet da die Urkunde echt sei. Denkbar wäre allenfalls, dass der beurkundete Inhalt nicht zutreffe.

Mit ihrer Berufung macht die Klägerin neben den erstinstanzlich gestellten Anträgen zusätzlich mit einem zweiten Hilfsantrag die Feststellung geltend, dass die Beklagte ihr den Schaden zu ersetzen habe, der durch die falsch beurkundete Zustellung und das deshalb ergangene Versäumnisurteil entstehe.

Durch das Versäumnisurteil seien ihr zusätzliche Kosten in Höhe von 12.000 € entstanden, die auch dann nicht erstattet würden, wenn sie den Rechtsstreit gewinne.

Die Beklagte bestreitet den Hergang des griechischen Verfahrens – mit Ausnahme des Erlasses des in einer in Griechenland angefertigten amtlichen Übersetzung vorgelegten Versäumnisurteils – und Fehler bei der Zustellung der Postsendung. Nachdem sie erstinstanzlich eine nicht ordnungsgemäße Zustellung bestritten hat, hat sie im Berufungsverfahren zunächst vorgetragen, die Postsendung sei in den Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingeworfen worden. Dann hat sie unter Bezugnahme auf eine schriftliche Stellungnahme des Zeugen E vom 22.11.2012 vorgetragen, wenn die Geschäftsräume morgens geschlossen gewesen seien, werde der Zeuge die Postsendung auf dem Rückweg durch Übergabe zugestellt haben. Da es hierfür keine Rubrik auf der Zustellungsurkunde gebe, habe er angekreuzt, sie eingeworfen zu haben. Die Erweiterung der Klage um den zweiten Hilfsantrag hält die Beklagte für unzulässig.

Im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil gemäß § 540 Abs. 2 ZPO verwiesen und von der Wiedergabe der Änderungen und Ergänzungen im Berufungsrechtszug gem. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist teilweise begründet.

Die Klägerin hat einen – mit dem zweiten Hilfsantrag geltend gemachten – Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der durch den fehlerhaften Zustellungsvorgang verursachten Schäden. Soweit sich die Klägerin noch gegen die Abweisung des ersten Hilfsantrages wendet, ist die Berufung unbegründet.

Im Umfang des Hauptantrages haben die Parteien den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt; insoweit hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

1.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der durch die fehlerhafte Zustellung am 04.03.2011 verursachten Schäden.

a)

Die in der Erweiterung der Klage um eine als neues Klageziel zu sehende Klageänderung ist gem. § 533 ZPO zulässig. Sie ist sachdienlich und der Anspruch kann auf berücksichtigungsfähige Tatsachen gestützt werden.

Mit dem zusätzlichen Antrag kann der sachliche Streitstoff des Verfahrens ausgeräumt werden. Die durch die Pflichtverletzung verursachten Kosten und die Haftung der Beklagten gem. § 35 PostG waren auch erstinstanzlich bereits von der Klägerin, jedenfalls im Zusammenhang mit den außergerichtlichen Anwaltskosten und dem Streitwert für den Feststellungsantrag, angeführt worden und damit Gegenstand des Streits.

Sofern der Anspruch hier auf neue Tatsachen gestützt werden soll, ist das zulässig. Denn die Klägerin hat diese Tatsachen erstinstanzlich infolge eines Verfahrensmangels nicht geltend gemacht, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Das Landgericht hätte darauf hinweisen müssen, dass die Klage schon deshalb unzulässig ist, da nicht die Feststellung eines Rechtsverhältnisses begehrt werde. Der Hinweis auf die nicht ersichtliche Bindungswirkung für das griechische Verfahren umfasste diese rechtliche Bewertung nicht. Die Klägerin hatte hierauf auch reagiert und die Einholung eines Gutachtens angeboten. Sie durfte deshalb davon ausgehen, dass die gesehenen Zulässigkeitsbedenken ausgeräumt sind.

b)

Die Feststellungsklage ist auch zulässig.

Die Parteien streiten über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses. Die behauptete Verletzung von Pflichten der Beklagten aus § 33 Abs. 1 Satz 1 PostG im Rahmen der Zustellung begründet ein Rechtsverhältnis, das Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann.

Die Klägerin hat auch ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, weil die Beklagte ihre Schadensersatzpflicht in Abrede stellt (vgl. BGH NJW 1986, 2507).

Eine Leistungsklage ist nicht vorrangig, weil die Schadensentwicklung jedenfalls zum Zeitpunkt der Klageerhebung – hier durch die Antragstellung mit Schriftsatz vom 24.10.2013 – aufgrund des noch laufenden Einspruchs- und Hauptsacheverfahrens nicht abgeschlossen war. Auch wenn der Einspruch gegen das Versäumnisurteil bereits am 18.10.2013 zurückgewiesen worden sein sollte, wie es sich aus der vorgelegten – bestrittenen – griechischen Urkunde nebst nichtamtlicher Übersetzung ergibt, dürfte sie der Klägerin noch nicht vorgelegen haben, da die Abschrift erst am 20.11.2013 erstellt bzw. abgestempelt wurde.

Es ist auch wahrscheinlich, dass der Klägerin ein Schaden entstanden ist. Da kein absolutes Recht der Klägerin verletzt wurde, genügt nicht bereits die Möglichkeit eines Schadens. Die Feststellungsklage ist nur zulässig, wenn die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt irgendeines Schadens für jeden einzelnen künftigen Anspruch wenigstens substantiiert dargetan wird (BGH NJW 1993, 648, 654). Das hat die Klägerin hier getan.

Ein Schaden ist wahrscheinlich, da mit dem Versäumnisverfahren ein zusätzliches Verfahren in Griechenland durchzuführen ist. Dabei ergibt sich schon aus dem Versäumnisurteil, dass die Klägerin eine Versäumnisstempelgebühr zu zahlen hat. Überdies ist es naheliegend, dass neben dieser Gebühr auch zusätzliche Anwaltskosten entstehen.

c)

Die Feststellungsklage ist auch begründet. Die Klägerin hat aufgrund einer schuldhaften Amtspflichtverletzung der Beklagten bzw. des für sie handelnden Zeugen E, einen Anspruch gem. § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 35 PostG jedenfalls auf Ersatz eines Mindestschaden in Höhe der Versäumnisstempelgebühr von 250 €.

aa)

Der Zeuge E handelte bei dem von ihm beurkundeten Zustellungsvorgang als Beamter im Sinne des § 839 BGB.

Anders als bei der Beförderung des Schriftstücks vom Absender bis in die Hand des Zustellers, bei der es sich um eine typische privatrechtliche postalische Leistung handelt, stellt die eigentliche Zustellung an den Empfänger ein hoheitliches Handeln dar (vgl. Beck’scher PostG-Kommentar/Badura, 2. Auflage 2004, § 35 Rn. 4; Altmannsperger, Gesetz über das Postwesen, Loseblatt, § 16 PostG (a.F.) Rn. 4, 6). Die Beklagte ist insoweit als beliehener Unternehmer anzusehen und haftet selbst, da sie durch § 35 des Postgesetzes mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet ist (Beck’scher PostG-Kommentar/Badura, 2. Auflage 2004, § 33 Rn. 14 f., § 35 Rn. 6).

bb)

Die Beklagte hat ihre – auch die Klägerin schützende – Pflichten aus § 33 Abs. 1 PostG verletzt.

Aus § 33 Abs. 1 PostG folgt die Pflicht, Schriftstücke nach den Vorschriften der Prozessordnungen zuzustellen. Die nach § 182 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzufertigende Postzustellungsurkunde muss dabei die nach § 182 Abs. 2 ZPO erforderlichen Angaben enthalten. Die Angaben müssen vor allem im Hinblick auf die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde richtig sein. Gegen diese Pflicht hat die Beklagte verstoßen.

(1)

Die Postzustellungsurkunde ist inhaltlich nicht richtig ausgefüllt.

Die aus ihr hervorgehende Übergabe durch Einwurf in den Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung ist nicht erfolgt. Eine derartige Empfangsvorrichtung für Postsendungen gibt es am Geschäftslokal der Klägerin nicht.

Die Erklärung der Beklagten, diese Art der Zustellung sei nur angekreuzt worden, da es keine Rubrik für die Übergabe der Sendung auf dem Rückweg von der Zustellungsrunde gebe, ist nicht plausibel. Die Übergabe des Schriftstücks kann unter Ziffer 7.1 oder 8.1 eingetragen werden. Wann die Übergabe geschieht, ist dabei ohne Bedeutung.

(2)

Die Urkunde ist auch nicht zugestellt worden.

Die Beklagte hat die Behauptung der Klägerin, das Schriftstück sei ihr nicht zugestellt worden, bereits nicht substantiiert bestritten. Selbst wenn man davon ausginge, sie hätte ihre insoweit bestehende sekundäre Darlegungslast erfüllt, so hätte die Klägerin bewiesen, dass das Schriftstück nicht zugestellt wurde.

(a)

Die Beklagte muss die näheren Umstände der behaupteten Zustellung darlegen. Auch bei einer Darlegungs- und Beweislast eines Anspruchstellers für die behauptete Pflichtverletzung muss ein Anspruchsgegner nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast im Rahmen seines Bestreitens weitergehende Angaben machen, wenn er alle wesentlichen Tatsachen kennt oder kennen muss und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. BGH NJW 2005, 2614, 2615; NJW 1987, 2008, 2009).

Das ist hier der Fall. Die Beklagte weiß bzw. könnte und müsste wissen, wann und auf welche Art und Weise die Zustellung erfolgt sein soll. Diese Tatsachen sind gem. § 182 Abs. 2 ZPO dokumentationspflichtig. Diese Dokumentation des Zustellungsvorganges dient dem Nachweis des Zustellvorganges und ist die Grundlage für den hohen Beweiswert der Zustellungsurkunde im Prozess. Angesichts dessen ist es der Beklagten auch zumutbar, hier nähere Angaben zu machen, wenn sie vorträgt, die Postsendung sei trotz des nicht zutreffenden Inhalts der Zustellungsurkunde zugestellt worden. Die Klägerin hat gerade durch die fehlerhafte Beurkundung und fehlender konkreter Angaben dazu, wann genau und auf welche Weise die Zustellung erfolgt sein soll, keine ausreichende Möglichkeit, die behauptete Nichtzustellung zu beweisen.

(b)

Ihre sekundäre Darlegungslast hat die Beklagte nicht erfüllt. Die Angaben zum Zustellvorgang sind unzureichend.

Der – zuletzt nicht mehr aufrecht gehaltene – Vortrag aus dem Schriftsatz vom 05.03.2014, die Postsendung sei in einen Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingeworfen worden, war falsch. Er ist angesichts der bereits am 22.11.2012 gegenüber einem Mitarbeiter der Beklagten getätigten Aussage des Zeugen, es gebe dort keinen Briefkasten, alle Sendungen würden im Geschäftslokal abgegeben (vgl. Bl. 199 d. A.), nicht verständlich und mit Blick auf die prozessuale Wahrheitspflicht aus § 138 Abs. 1 ZPO bedenklich.

Auch der spätere Vortrag, der Zeuge habe die persönliche Zustellung auf dem Rückweg als Einwurf in den Briefkasten beurkundet, da es kein entsprechendes Feld auf der Urkunde gebe, ist – wie bereits oben dargelegt – nicht nachvollziehbar.

(c)

Selbst wenn man davon ausginge, die Beklagte hätte mit dem zuletzt erwähnten Vortrag ihre sekundäre Darlegungslast erfüllt, hätte die Klägerin bewiesen, dass die Zustellung nicht (auf diese Weise) erfolgte.

Unabhängig davon, dass ein Einwurf in den Briefkasten nicht schon deshalb beurkundet werden muss, wenn eine persönliche Zustellung auf dem Rückweg erfolgt, ergibt sich bereits aus der schriftlichen Stellungnahme des Zeugen E gegenüber der Beklagten, dass dieser alle Sendungen persönlich im Geschäftslokal übergeben hat. Der Zeuge hat auch im Rahmen seiner Vernehmung durch den Senat wiederholt angegeben, den Inhalt der Urkunde nicht erklären zu können, da Zustellungen im Ladenlokal an die Mitarbeiter erfolgt seien. Die Namen der Mitarbeiter würden direkt im Ladenlokal auf der Zustellungsurkunde vermerkt. Nach dieser glaubhaften Angabe – die sich die Klägerin jedenfalls stillschweigend zu eigen macht – ist der Senat davon überzeugt, dass die Zustellung nicht auf die vorgetragene Weise erfolgt ist.

(3)

Die sich aus § 33 PostG ergebende (Amts-) Pflicht schützt auch den Empfänger der Postsendung (Beck’scher PostG-Kommentar/Badura, 2. Auflage 2004, § 35 Rn. 5; § 16 Abs. 1 PostG alter Fassung), also auch die Klägerin.

cc)

Die Pflichtverletzung erfolgte auch schuldhaft. Das Verschulden wird hier bereits durch die offensichtlich unrichtige – und jedenfalls fahrlässig herbeigeführte – Beurkundung indiziert.

dd)

Der Klägerin ist durch den pflichtwidrigen Zustellungs- und Beurkundungsvorgang auch ein Schaden entstanden.

Bei einer Amtspflichtverletzung, die sich allgemein gegen das Vermögen richtet, ist ein Schaden entstanden, wenn die Vermögenslage des Betroffenen infolge der Handlung im Vergleich mit dem früheren Vermögensstand schlechter geworden ist. Hierzu genügt es, dass die Verschlechterung sich wenigstens dem Grunde nach verwirklicht hat, mag ihre Höhe auch noch nicht beziffert werden können. Es muss auch nicht feststehen, ob der Nachteil auf Dauer bestehen bleibt und damit endgültig wird (BGH NJW 1993, 648, 650).

Ein Schaden ist danach hier jedenfalls in Höhe der Versäumnisstempelgebühr entstanden.

Der Senat ist davon überzeugt, dass es ohne den pflichtwidrigen Zustellungsvorgang nicht zu einem Versäumnisverfahren gekommen wäre. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Klägerin bewusst hätte versäumen lassen, sind nicht erkennbar.

Im Rahmen dieses Versäumnisverfahrens ist der Klägerin zumindest die Versäumnisstempelgebühr in Höhe von 250 € entstanden. Diese Gebühr musste die Klägerin gem. Art. 505 Abs. 2 der griechischen ZPO bei Einlegung eines Einspruchs einzahlen, wie sich aus dem übersetzten Versäumnisurteil ergibt. Für die Verpflichtung zur Einzahlung der Gebühr spricht dabei auch, dass sie mit der vorgelegten Vorschussrechnung der griechischen Anwälte abgerechnet wurde. Darauf, ob die Klägerin die Gebühr bei einem Erfolg ihres Rechtsmittels erstattet erhält kommt es für die Feststellung eines Mindestschadens bzw. eines Schadens dem Grunde nach nicht an. Diese Frage bleibt einem Betragsverfahren vorbehalten.

ee)

Dass die Klägerin die Entstehung des Schadens durch ein Rechtsmittel hätte abwenden können, ist nicht ersichtlich.

Ebenso ist nicht erkennbar, dass sie hinsichtlich der Versäumnisstempelgebühr eine anderweitige Ersatzmöglichkeit hätte. Ob das pauschale Bestreiten einer ordnungsgemäßen Prozessführung in Griechenland hier Anlass für näheren Vortrag der Klägerin sein muss, kann dahinstehen. Es ist nicht ersichtlich, wie bereits der Erlass des Versäumnisurteils und die dadurch ausgelöste Pflicht zur Zahlung der Stempelgebühr Ansprüche gegen die danach eingeschalteten Anwälte begründen könnte.

2.

Soweit die Klägerin mit dem ersten Hilfsantrag noch die Feststellung begehrt, dass ihr am 04.03.2011 die in der Postsendung enthaltenen Schriftstücke nicht seitens der Beklagten zugegangen seien, ist die Klage – wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – unzulässig.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Gegenstand einer Feststellungsklage grundsätzlich die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses sein. Unter Rechtsverhältnis ist eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder einer Person zu einer Sache zu verstehen (BGH NJW 2009, 751). Die Feststellung bloßer Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses, reiner Tatsachen oder etwa der Wirksamkeit von Willenserklärungen ist nicht möglich (BGH NJW 2008, 1303). Die Klägerin begehrt hier aber die Feststellung einer Tatsache oder allenfalls einer Vorfrage eines Rechtsverhältnisses.

3.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat die Klägerin unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen die Kosten zu tragen, § 91a Abs. 1 ZPO.

Der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Feststellungsanspruch war ebenfalls unzulässig, da er nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet war. Die auch hier begehrte Feststellung der fehlenden Rechtswirksamkeit der beurkundeten Zustellung richtete sich auf die Feststellung einer Tatsache bzw. einer Vorfrage eines Rechtsverhältnisses zwischen der Klägerin und ihrem griechischen Geschäftspartner. Dies kann die Klägerin nach den obigen Ausführungen nicht gegenüber der Beklagten feststellen lassen.

4.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch gem. § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 35 PostG auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 459,40 €.

a)

Diese Kosten können in der Berufungsinstanz ebenfalls im Wege einer zulässigen Klageänderung geltend gemacht werden.

Das Landgericht hat über den geltend gemachten Anspruch – offenbar unbewusst – nicht entschieden. Der Antrag ist im Tatbestand nicht aufgeführt und das Urteil enthält auch keine inhaltlichen Ausführungen zu den Anwaltskosten. Da die Klägerin auch keine Ergänzung des Urteils gem. § 321 ZPO beantragt hat, ist über sie noch nicht entschieden.

Die Klägerin kann die Kosten aber im Wege einer, in der erneuten Antragstellung zu sehenden, Klageerweiterung geltend machen. Eine solche Klageänderung ist sachdienlich und kann auf die ohnehin gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen gestützt werden. Maßgeblich sind die zur Entscheidung über den neuen Hilfsantrag behaupteten Tatsachen.

b)

Der Anspruch besteht in der geltend gemachten Höhe.

Die außergerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwaltes war hier angesichts der Bedeutung des Rechtsstreits, seinem Zusammenhang mit dem griechischen Verfahren sowie der unklaren Umstände der Zustellung sachgerecht und durfte von der Klägerin für erforderlich gehalten werden. Der Klägervertreter ist auch

außergerichtlich tätig geworden und hat die Beklagte unter anderem zur Anerkennung der Haftung dem Grunde nach aufgefordert. Auf die Schreiben vom 07.11, 12.11. und 18.12.2012 (Anlagen 7-8, Bl. 21 ff. d. A.) wird verwiesen.

Die Berechnung der Höhe auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 6.000 € ist nicht zu beanstanden. Da die Höhe des Schadens bei der Beauftragung nicht feststand, hatte der anwaltliche Vertreter das in dem voraussichtlichen Schaden bestehende wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der vorgerichtlich begehrten Feststellung zu schätzen. Der Ansatz von 6.000 € ist angesichts der behaupteten Schäden von ca. 12.000 € nicht ermessensfehlerhaft.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO. Dabei ist von einem teilweisen Unterliegen der Klägerin auszugehen, da sie nur mit dem erst in zweiter Instanz gestellt Hilfsantrag obsiegt hat. Da das hinter sämtlichen Anträgen stehende wirtschaftliche Interesse jedoch im Wesentlichen identisch ist, bemisst der Senat das anteilige wirtschaftliche Interesse an den unzulässigen Anträgen einschließlich des Kosteninteresses hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils mit 25 Prozent.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO.

Streitwert: bis zu 10.000 €.

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